Stark statt schlank

Stark statt schlank

Sich in seiner eigenen Haut wohlfühlen können. Sich einfach so akzeptieren, wie man ist. Zwischen diesem Wunsch und der Realität liegt oft der Alltag. In unserer Gesellschaft wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte ein relativ eng definiertes Schönheitsideal geprägt. Gerade für Frauen eine Herausforderung. Alle 10 Jahre scheint es ein neues oder verändertes Idealbild zu geben. Während in den 50er-Jahren noch ein weiblicher Körper mit Busen, Bauch und Po gefragt war, wollten Frauen nur zehn Jahre später so aussehen wie dünne Models.

Über die letzten Jahrzehnte wurde das Idealbild immer enger definiert, dadurch sind unzählige Diäten und Ernährungsideen aufgetaucht, um das inzwischen fast unmöglich zu erreichendem Ziel, irgendwie zu erreichen.

Weg von super dünn, hin zu mehr Fitness. Dieser Trend zeigte sich erst in den 70ger Jahren. Bilder von „Wonder Woman“ prägten auf einmal die Leinwand. Frauen wurden von dünnen Models zu starken Powerfrauen. Auch in den 80ger Jahren, den Jahren der Supermodels, waren Frauen nicht mehr nur dünn, sie waren athletisch. Der Trend hin zu „gesunden Kurven“ wurde immer größer und Sport wurde essenziell, um an die neue Traumfigur zu kommen, am liebsten mit den Aerobic-Videos.

Diesen Trend gibt es heute immer noch, jedoch auf einem ganz neuen Level. Der heutige „perfekte“ Körper ist trainiert. Kurven sind gefordert, aber bitte mit Definition.

Frauen wollen nicht nur gesund sein und gesund aussehen, sie wollen stark sein. Das Bild der heutigen „Fitness-Frau“ ist schön, wenn sie stark ist. Das bedeutet auch mal den weiblichen Bizeps zu zeigen oder mit definierten Bauchmuskeln zu punkten. Nur in „Shape“ zu sein war gestern, heute darf es in Sachen Muskeln ein bisschen mehr sein.

Heute sind Langhanteltraining, Functional Fitness oder auch Crossfit keineswegs nur Männersache. Size Zero hat ausgedient, heute wird trainiert. Frauen sind stark, stehen „ihren Mann“ und wollen ihr Selbstvertrauen zeigen. Und das spürt auch die Fitness-Branche.

Yoga und Co. liegen zwar weiterhin im Frauen-Trend und helfen zum Ausgleich und zur Stressreduktion, es werden inzwischen aber auch immer mehr Gewichte und Geräte, daheim oder im Fitness-Studio dafür verwendet. Auch damit kann man gut Stress abbauen und mit Angst- oder Unsicherheitsgefühlen umgehen: Das Training mit Gewichten vermittelt ein Gefühl von Stärke und Leistungsfähigkeit. Bei intensiven Sessions vermittelt die Erschöpfung nach dem Training ein zufriedenes Gefühl, man hat physisch etwas getan, was vor allem bei Bürotätigkeit als guter Ausgleich dient. Und letztendlich stellt sich ein gesteigertes Körpergefühl und nachhaltig mehr Energie ein, wenn man das Training regelmäßig mehrere Wochen durchhält. Diese Energie hilft auch nachhaltig damit, in Stress-Situation einen kühlen Kopf zu behalten. Doch nicht nur deshalb ist dieses Training etwas für Frauen. Muskelaufbau bedeutet gleichzeitig, auch in Ruhe mehr Energie zu verbrennen, den Körper also schlank und in Form zu halten. Zudem hilft Krafttraining auch an vielen Stellen, den natürlichen „Alterungsprozess“ aufzuhalten. Hinter diesem Trend steckt also nicht nur ein optischer, sondern auch ein „gesundheitserhaltender“ Gedanke.

Diese Kombination macht die Fitness-Bewegung so attraktiv. Sport und Gesundheit vereinen sich mit einer „optischen Stärke“. Dieses Körpergefühl erreicht man nur mit Leistung. Harte Arbeit, Schweiß, eine Investition in die Gesundheit und damit Power ist es, was Frauen ausstrahlen wollen. Dabei wird Sport seit Jahrzehnten zu einem immer wichtigeren gesellschaftlichen Thema. Warum auch sonst setzen so viele Sportmarken nun auf trainierte reale Sportlerinnen und Athletinnen? Schlank zu sein reicht nicht mehr. Durch Fitness gewinnen Frauen Macht über ihren eigenen Körper. Das sagt auch Jürgen Martschukat (Historiker) in einem Interview für die ZEIT:

„Wenn sie an sich arbeiten, verspüren sie Erfolg. Sie fühlen sich bestätigt, arbeiten an ihrer eigenen Attraktivität, fühlen sich dadurch stärker, ausgeglichen und wettbewerbsfähiger. Sie werden zu jemandem, der schön, attraktiv und erfolgreich ist.“*

Quelle:

Zeit Interview 2018: "Es entstand ein neuer weiblicher Normkörper" - Jürgen Martschukat, ist Sozial- und Körperhistoriker an der Uni Erfurt. Er schreibt gerade an einer Geschichte der Fitness.